Montag, 29. März 2010

Inhalt STRAFLOS Nr.2

STRAFLOS
Abolitionistische Streitschrift
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Abolitionismus = Abschaffungs-Bewegung Heißt eigentlich also nur: Hau weg den Scheiss! Gab es gegen die Sklaverei in den USA, gegen die staatliche Kontrolle der Prostitution, gibt es gegen die Todesstrafe, gegen Gefängnisse und Strafjustiz allgemein. Letzteres ist hier gemeint. War besonders verbreitet in den skandinavischen Ländernin den 70er und 80er Jahren. Staatliche Reaktionen darauf waren einige Lockerungen, Reformen (angebliche „Resozialisierung“). In den letzten 20 Jahren aber wieder viel Rückschritt in Richtung Straflogik. Doch es gibt weiterhin Vernetzungen der Bewegungen gegen Gefängnisse und Strafjustiz, alle 2 Jahre einen Weltkongress (ICOPA) auf wechselnden Kontinenten zwecks Theorie- und Erfahrungsaustausch. (Auch wir meinen, in reaktionären Zeiten sei es besonders wichtig, kritisches Denken & Handeln weiter zu entwikkeln, Alternativen vorstellbar zu erhalten.)

Nr.2 , Frühjakr 2010
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Inhalt der Nummer 2 :
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* Unpopuläres Ziel ?
* Müssen wir Alternativen zu Knästen suchen?
* Vorsicht Einsturzgefahr!
* Wie organisieren wir uns, wenn wir "einfahren" ? (Gedanken aus der Sicht eines Ex-Gefangenen)
* Sitzen oder zahlen?
* Achtung AKTIONSTAG !
*„Geborene Verbrecher“ (...das Allerletzte ...)
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In eigener Sache ! In GEMEINSAMER? Diese Streitschrift (in Papier-Version) wird kostenlos verteilt an Gefangene und Interessierte „draußen“. Die, die noch nicht hinter Gittern sitzen, werden gebeten, das Projekt durch Spenden zu unterstützen. Wir bitten besonders politische/soziale Initiativen, bei der Verbreitung behilflich zu sein - d.h. regelmäßige Abnahme einer Anzahl Exemplare - und sich an unseren Kosten durch einen Dauerauftrag oder periodische Spenden zu beteiligen.
Konto: zosamme eV, 535348006
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Kölner Bank, BLZ: 37 1600 87
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Verwendungszweck: STRAFLOS
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Kommentare hier
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akp.koeln@googlemail.com
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AKP, Kalk-Mülheimer Str. 210, 51103 Köln

straflos 2, Unpopuläres Ziel ?

„Gesellschaft ohne Knäste“ - klingt heute irgendwie daneben. Wie soll das denn gehen? Und will das wirklich einer oder eine? Gegen die Todesstrafe was tun oder weil eine unschuldig ist, ja, kein Problem! Andere haben dann da noch ihren eigenen „politischen Gefangenen“. - Aber kein Einsperren mehr, keine Vergeltung, keine Gerechtigkeit?
Und schon sind sie alle in die Falle getappt, sind diszipliniert in der Disziplinierungsgesellschaft, zwischen Zugeständnissen und täglichen kooperierenden Überwachungen -“Wer sich an die Gesetze hält, dem passiert nichts“ - und merken nicht, dass auch sie längst im Fadenkreuz sind. Eigentlich brauchen wir hier ja nichts mehr tun: In naher Zukunft werden die Knäste von sich aus verschwinden. Hausarrest mit Fußfesseln schon beschlossene Sache. Elektronische Halsbänder werden schon diskutiert, private Sicherheitsdienste, Chipkarten, Internetkontrollen Kameraüberwachung, biometrische Zuordnung schon praktiziert, bereit für Ausgrenzung bestimmter sozialer Schichten, Migranten, illegalisierte Flüchtlinge. Alles geplant als gut geölte Maschine mit „no-go-areas“. Nur mit entsprechender Karte zu betreten.
Aber die Umwandlung in die Kontrollgesellschaft ist noch nicht abgeschlossen. „Null Toleranz“, „Strafverschärfung“ - fast könnten wir von einer „Wiederentdeckung des Gefängnisses“ sprechen, wenn auch mehr und mehr aus Kostengründen privatisiert wird. Immer neue, andere Bedrohungszenarien werden aufgebaut: „Die da müssen weg, gehören abgeschoben, eingesperrt.“ Wenn wir hier wieder und weiterhin von „Gesellschaft ohne Knäste“ reden, so heißt dies, all das gerade Gesagte anzugehen, aufzubrechen, Alternativen dazu zu entwickeln - weil sich immer weniger durch ein „mich betrifft das nicht“ rausreden können. So werden z.B. immer mehr Menschen gezwungen, ihr tägliches Überleben zu sichern, greifen zu „illegalen Methoden“. 80 % der Inhaftierten sind so genannte „Eigentumsdelikte“.
„Gesellschaft ohne Knäste“ heißt heute und hier unsere Beziehungen zu einander zu verändern. Konflikte können nicht eingesperrt werden. Das heißt täglich Lösungen zu suchen und zu finden, ohne auf Bestrafung zurückgreifen zu wollen. Heißt auf Dauer eine radikale Veränderung dieser Gesellschaft. Viele von uns (mich eingeschlossen) haben vielleicht noch ihre eigenen Rachefantasien. Aber ich denke, wir alle haben auch unsere jeweiligen alternativen Konfliktlösungen, sei es in privaten oder öffentlichen Zusammenhängen, bis hin zu bestimmten Methoden der Selbstverteidigung.
Seitdem es diese Kämpfe gibt, ist eigentlich alles schon gesagt worden. Ich möchte daher abschließend einige Sätze von kämpfenden Gefangenen aus Italien vorbringen:
Wir sind gegen den Knast ...
Wir sind gegen den Knast, weil er geschaffen und entwickelt wurde, um die Privilegien der Reichen und die Macht des Staates zu beschützen.
Wir sind gegen den Knast, weil eine Gesellschaft ihn nicht mehr braucht, wenn sie nicht auf Geld und Profiten, sondern auf Freiheit und Solidarität basiert.
Wir sind gegen den Knast, weil wir nach einer Welt streben, wo die Regeln wirklich gemeinsam entschieden werden.
Wir sind gegen den Knast, weil selbst das grausamste Verbrechen irgend etwas über uns selbst erzählt, über unsere Ängste, unsere Schwächen.
Wir sind gegen den Knast, weil nichts Gutes auf Unterwerfung und Zwang wachsen kann.
Wir sind gegen den Knast, weil wir diese Gesellschaft radikal verändern wollen (und deswegen ihre Gesetze übertreten), weil wir uns nicht friedlich in ihre Städte, ihre Fabriken, ihre Kasernen, ihre Einkaufszentren integrieren wollen.
Wir sind gegen den Knast, weil der Lärm der Schlüssel im Zellenschloss eine tägliche Folter ist, Isolation eine Abscheu, das Ende der Sprechstunde eine Qual, die eingesperrte Zeit eine Sanduhr, welche langsam tötet.
Wir sind gegen den Knast, weil er uns entweder viel zu viele Tage, Monate oder Jahre, oder viel zu viele FreundInnen, Unbekannte oder GenossInnen weggenommen hat.
Wir sind gegen den Knast, weil die Menschen, die wir darin getroffen haben, weder besser noch schlechter sind als diejenigen, die draußen rumlaufen. (Obwohl wenn ich nachdenke, sind sie doch besser).
Wir sind gegen den Knast, weil die Nachricht eines Ausbruchs unsere Herzen aufwärmt, mehr als der erste Tag des Frühlings.
Wir sind gegen den Knast, weil eine Gesellschaft, die es braucht, Menschen einzusperren und zu entmündigen, selbst ein Knast ist.
Kündigen wir dieser Gesellschaft, ersetzen wir ihre Gesetze und ihr Recht durch unsere eigenen Regelungen !
Deshalb : Für Gesellschaft ohne Knäste !
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Obiger Text wurde
von Wilfried formuliert und zusammen gestellt,
als Rede des AntiknastAK-K
auf der Silvesterkundgebung 09
vor dem Knast Köln-Ossendorf vorgetragen.

aus STRAFLOS NR.2

straflos 2, Alternativen zu Knästen suchen?

Müssen wir Alternativen zu Knästen suchen?

Wer sich im Sinne des Abolitionismus - (Hier Abschaffung der Gefängnisse. Früher in den USA bezeichnete es die Abschaffung der Sklaverei) - äußert, wird in der Regel alsbald mit der Frage konfrontiert, welche Alternativen er/sie anbieten könne, wenn er/sie Knäste für so schlimme Orte halte.
Ist es sinnvoll, sich auf solche Suche von Alternativen zum Strafvollzugssystem einzulassen? Meiner Ansicht nach lautet die klare Antwort: NEIN, es ist nicht sinnvoll.
Die Forderung nach Abschaffung der Gefängnisse steht in einem politischen Zusammenhang, der auf eine Umwälzung der herrschenden Verhältnisse abzielt. Ein kapitalistisches (übrigens ebenso ein "sozialistisches") System kommt ohne Verwahr- und Zuchthäuser nicht aus. Hinter dem Verlangen die Gefängnisse aufzulösen steht - unausgesprochen - der Wunsch nach einem politischen Systemwechsel. Ein menschenverachtendes politisches System bleibt ein solches,- ob nun mit oder ohne Knäste. Deshalb kann es nicht darum gehen, für Staatsknechte Alternativen zu erdenken, welche an die Stelle der Justizvollzugsanstalten treten könnten bzw. sollen, denn schon die Suche oder Beihilfe zur Suche impliziert eine Anerkennung der bestehenden politischen, sozialen und ökonomischen Ordnung.
Wer sagt, es wäre unrealistisch über eine Abschaffung der Gefängnissse nachzudenken und damit für eine grundlegende Systemveränderung (einzutreten), dem sei in Erinnerung gerufen, dass der ursprüngliche Abolitionismus, wie eingangs angedeutet, auf die Abschaffung der Sklaverei zielte. Zumindest in den USA gibt es heute - bei aller Kritik im Detail und darüber hinaus - keine Sklaverei mehr in der Art des 18. und 19. Jahrhunderts. Die absolute Leibeigenschaft wurde Schritt füt Schritt aufgehoben, wenn auch in weiten Teilen durch eine andere, eine modernere Form von Abhängigkeit und Unterdrückung ersetzt. Dennoch! Trotz alledem gilt es für eine Abschaffung der Gefängnisse zu streiten, für eine gesellschaftliche Veränderung!
Thomas Meyer-Falk
z.Zt. JVA Bruchsal
http://www.freedom-for-thomas.de
http://www.freedomforthomas.wordpress.com
aus STRAFLOS NR. 2

straflos 2, Vorsicht Einsturzgefahr!

In der letzten Ausgabe der „Straflos“ hatten wir ja beklagt, dass die Baufirma Bilfinger und Berger in Ratingen den ersten Privatknast in NRW baut. Nach den Erfahrungen beim Kölner U-Bahn-Bau (bei dem ja Bilfinger und Berger federführend ist) müssen wir da unsere Meinung revidieren.
Wir finden es super, wenn sie beim Knast in Ratingen ebenso auf die Eisen im Beton verzichten, wie bei der Kölner U-Bahn. Einmal kräftig gegen die Mauern treten und schon ist mensch draußen. Wir wissen jetzt nicht, ob in Ratingen bei steigendem Grundwasserspiegel der Keller geflutet werden muss, um einen Gegendruck aufzubauen. Ebenfalls ungeklärt ist die Frage, ob bei starkem Sturm jedesmal der gesamte Knast evakuiert werden muss. Vielleicht wäre es einfach am Besten, das Ding gar nicht erst fertigzu bauen, sondern gleich wieder abzureissen.
Gerhard, AKP
aus STRAFLOS Nr.2

straflos 2, Wie organisieren wir uns, wenn wir einfahren?

Einige Gedanken aus der Sicht eines Ex-Gefangenen
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Wenn Du als libertäreR GefangeneR im Knast landest, hast Du grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Entweder schottest Du Dich weitgehend von der Knastrealität ab und gestaltest Dein soziales und politisches Leben weitgehend durch den Kontakt zu den GenossInnen draußen. Oder - Du läßt Dich auf Dein nun vorhandenes Knastumfeld ein. Dann wird es spannend. Dein neues Umfeld im Knast unterscheidet sich ja nunmal ziemlich grundsätzlich von den politischen Ghettos in denen wir uns draußen ja alle mehr oder weniger bewegen. Es ist doch nun mal so, daß wir draußen überwiegend mit Leuten zu tun haben, die ähnlich denken wie wir. Im Knast wirst Du erstmal relativ wenige GenossInnen (zumindest im gleichen Knast) treffen, bei denen es ein hohes Maß an politischer und menschlicher Übereinstimmung gibt. Wenn du also bereit bist, dich auf den Knast als neues Kampffeld einzulassen, stehst du vor der Bündnisfrage. Eine zugegeben schwierige aber nicht unlösbare Aufgabe.
Bei mir war es während meiner Knastzeit so, daß dieses Bündnis zunächst auf einer menschlich-sozialen Ebene entstand. Einfacher ausgedrückt. Ich hab erstmal geguckt, wer ist mir menschlich sympatisch, wer verhält sich im Alltag solidarisch, wer kooperiert nicht mit den Bütteln. Andersrum ausgedrückt, ich hab mir im Knast erst mal einen Freundeskreis gesucht und bin dann mit denen in die politische Offensive gegangen. Ich glaube, daß es andersrum nicht funktionieren kann. Wer glaubt, er oder sie könne als „politischer Promi“ die Massen im Knast „bekehren“, wird bestenfalls „MitläuferInnen“ finden, die sich im Knast gerne an sog. „Promis“ dranhängen.
Gerhard, Autonomes Knastprojekt, (AKP Köln)
                                                   aus STRAFLOS Nr. 2, März 2010

straflos 2, Sitzen oder zahlen?

Alle Jahre wieder. Die Justizministerin verkündet bei den Haushaltsberatungen im Bundestag stolz, daß sich die Justiz weitgehend selbst finanziert. Toll. Deutsche Gerichte lassen sich von denen bezahlen, die sie verurteilen. Anders ausgedrückt. Wenn ich jemand weh tue, muß der mich auch noch dafür bezahlen. Und die meisten tuns ja auch, weil es ihnen als „das kleinere Übel“ erscheint. In Festreden wird gerne von freien Wahlen gesprochen. Wie frei eine Wahl ist, bei der mensch nur zwischen zwei Übeln wählen kann, mag JedeR selbst beurteilen.
Dieses Prinzip betrifft beileibe nicht nur die Strafjustiz, es durchzieht die ganze Gesellschaft. Was ist das für eine Wahl, wenn ich nur die Möglichkeit habe, für einen Hungerlohn zu arbeiten oder mich den Schikanen der ARGE auszuliefern?
Anderes Beispiel: Ein Arbeitsloser legt bei der ARGE ein ärztliches Attest vor, nachdem er arbeitsunfähig ist. Trotzdem will ihn die ARGE für 4 Wochen in ein sog. Arbeitsbelastungstraining schicken. Er empfindet dies zu Recht als versuchte Körperverletzung. Trotzdem soll er einen „Vertrag“ unterschreiben, in dem er dieser Körperverletzung zustimmt. In diesem Land herrscht ja „Vertragsfreiheit“. Er hat ja die „freie Wahl“. Er kann diesen erpresserischen Vertrag unterschreiben oder nicht. Unterschreibt er nicht, kriegt er zunächst 30% Kürzung. Unterschreibt er wider besseren Wissens und steht diese Maßnahme erwartungsgemäß nicht durch, kriegt er ebenfalls 30% Kürzung. Wie gesagt, dies ist ein freies Land mit freien Wahlen.
Kommen wir aber wieder zur Strafjustiz zurück. Jedes Jahr werden über eine Millionen Menschen zu sog. Geldstrafen verurteilt. Der Begriff Geldstrafe ist irreführend. Tatsächlich handelt es sich um (Ersatz)- Freiheitstrafen. Wenn du zu 60 Tagessätzen à10 Euro verurteilt wirst, so bedeutet dies eben nicht, daß Du jetzt einfach der Justizkasse 600 Euro schuldest, die notfalls mittels Gerichtsvollzieher eingetrieben, wie bei normalen Schulden. Es bedeutet, daß du zu 60 Tagen Knast verurteilt bist und dich nur von diesem Knast freikaufen kannst. Dass eine Ersatzfreiheitstrafe eben wirklich Knast bedeutet, zeigt sich in der Praxis.
In deutschen Knästen sitzen derzeit etwa 8500 Menschen, die ihre „Geldstrafen“ nicht bezahlen konnten oder wollten. Geht mensch davon aus, dass die meisten dieser „Geldstrafen“ so auf 2-3 Monate hinauslaufen, so sind es übers Jahr gerechnet etwa 40000 Menschen, die davon betroffen sind.
Bleibt immer noch über eine Million Menschen jedes Jahr, die sich freikaufen, obwohl sie es häufig gar nicht können. Wie soll einE Hartz IV-EmpfängerIn beispielsweise eine „Geldstrafe“ von 600 Euro bezahlen? Er oder sie müßte ja das ALG II praktisch zweckentfremden, weil im Satz ja kein Euro für „Geldstrafen“ vorgesehen ist. Dass Gerichte, die „Geldstrafen“ gegen Arbeitslose verhängen, diese praktisch zu rechtswidrigem Verhalten auffordern, ist uns ehrlich gesagt wurscht. Schließlich wollen wir die Strafjustiz ohnehin abschaffen.
Unter den ca. 40000 Menschen, die jährlich „Geldstrafen“ absitzen, sind vermutlich wenige, die aus politischen Gründen die Zahlung verweigern. Bekannt geworden sind vor allem Leute aus den Reihen der Gentechnik-GegnerInnen, aber auch Jürgen Hahnel, der für die Entkriminalisierung von Cannabis kämpft. Ansonsten ist innerhalb der linken Szene das politisch offensive Nichtbezahlen von „Geldstrafen“ nicht sehr verbreitet. Wird jemand aus der Szene zu einer „Geldstrafe“ verurteilt, so setzt sich fast automatisch eine Soliarbeit in Gang, bei der es überwiegend darum geht, das Geld aufzutreiben. Die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, dieser Justiz die Kohle in den Rachen zu werfen, wird häufig nicht mal ansatzweise diskutiert. Wer, wie ich, sagt, dass er dieser Justiz keinen Euro geben wird und die Zeit notfalls lieber absitzt, erntet bestenfalls müdes Lächeln. Für mich gibt es gute Gründe dies so zu machen u.a. den, dass ich die Zeit im Knast nicht als „verlorene Zeit“ betrachte. Andere mögen gute Gründe haben, dies anders zu machen.
Ich beklage nicht, daß sich die allermeisten GenossInnen für das Bezahlen entscheiden. Ich beklage, daß über die Möglichkeit des Nichtbezahlens überhaupt nicht mehr öffentlich nachgedacht wird. Eine Diskussion in dieser Richtung würde ich mir wünschen.
Gerhard, AKP
aus STRAFLOS Nr. 2

straflos 2, Achtung AKTIONSTAG !

Für den 19.Juni ist ein Anti-Knast-Aktionstag für den „deutschsprachigenRaum“ vorgesehen. Vereinbart wurde dies bisher vonGruppen aus Berlin, Kiel, Hamburg, Dresden, Köln und Wien. Wir hoffen, dass es sich noch auf andere Orte ausweitet. Konkreter Themenschwerpunkt wird jeweils vor Ort gewählt und gestaltet. Unsere Idee ist es, eine Kundgebung in Essen vor der Firma Kötter zu machen. Diese ist groß im Geschäft, teilprivatisierte Knäste zu verwalten bzw. bewirtschaften. Die Landesregierung plant, ihr das Regiment zu übergeben für das im Bau befindliche erste solche Gefängnis in NRW (bei Düsseldorf = Ratingen). Wir sind nicht für staatliche Knäste, wissen aber auch, dass kapitalistisch organisierte Zwangsanstalten nicht besser sind. Manches spitzt sich noch zu. (Gefangene als Arbeiter und zahlende Kunden doppelt ausnutzen, noch weniger öffentliche Kontrolle). Der Knast- und Privatbullenfirma, mit der wir auch „draußen“ oft konfrontiert sind, sollten wir schnell zeigen, dass es nicht ihre „Privatsache“ ist, wie sie mit Gefangenen umgeht.. Eine NRW-weite Kundgebung bringen wir aber nur zustande, wenn sich Gruppen der sozialen Bewegungen aus Köln und anderswo an der Vorbereitung beteiligen. Ansonsten wird Aktion halt kleiner und lokaler. Gefangene sind eingeladen, sich mit einem „Redebeitrag“ (der leider nur von anderen verlesen werden kann) zu beteiligen.
AKP
Text aus STRAFLOS Nr.2

straflos 2, "Geborene Verbrecher"

... das Allerletzte ...
So neu ist das Ganze nicht. Schon seit langem versuchen sogenannte Wissenschaftler Kriminalität biologisch zu erklären. Der Italienier Lomboso versuchte sich zunächst an Äußerlichkeiten. So galt bei ihm beispielsweise dichter Haarwuchs als Kennzeichen von „Verbrechertypen“. Aus dieser Zeit stammt auch der Begriff der sogenannten „Verbrechervisage“. Seine Nachfolger waren zeitweise der Ansicht, dass „Verbrechergehirne“ leichter seien, als „normale“ Gehirne. Als sich dann herausstellte, daß eine Mörderin das schwerste Gehirn einer Frau hatte, wurde auch diese Theorie obsolet. Man versuchte sich an Gehirnvermessungen und ähnlichem. In Wien existiert ein makabres Kriminalmuseum, in dem die Schädel von Hingerichteten aufbewahrt werden. Die Schädel sind überzogen mit Linien, auf denen Lombosos Erben einzeichneten, wo nach ihrer Meinung, „das Böse“ im Schädel sitzt.
Die Nazizeit war dann für diese „Wissenschaftler“ ein wahres Paradies. Schädel von Hingerichteten gab es ja genug und besonders „interessante Objekte“ ließ man einfach deshalb töten, um ihre Schädel untersuchen zu können.
 Nun könnten wir das Ganze ja als makabre Geschichte aus dunklen Zeiten betrachten. Leider, leider erlebt diese Suche nach dem sogenannten „Verbrechergehirn“ wieder eine Renaissance. Die neuen Propagandisten des Versuchs, Kriminalität biologisch zu erklären, bedienen sich natürlich auch der neuen medizinischen Möglichkeiten. Mehr oder weniger ist das Ganze eine Kombination von Lügendetektortest und Kernspintomographie. Es begann mit Versuchen an jungen Ratten. Diese wurden als Babys von der Gruppe getrennt und isoliert. Wen wundert es, dass sie sich später anders verhalten haben. Welche Auswirkungen Isolation hat, hätte ich diesen „Wissenschaftlern“ auch vorher sagen können. Anschließend wurden die Gehirne dieser Ratten in dünne Streifen geschnitten und man stellte fest, dass manche Gehirnbereiche stärker ausgeprägt waren, als „normal“. Dass Isolation oder Misshandlungen Spuren im Gehirn hinterlassen, mag auch für uns noch nachvollziehbar sein. Es läßt ja auch noch Handlungsmöglichkeiten zu. Wenn diese Gesellschaft anders mit Kindern umgehen würde, ließen sich diese Schäden ja vermeiden. Hätten in dem konkreten Versuchsfall die Forscher die Rattenbabys nicht isoliert, hätten sich diese ganz normal entwickelt. Aber - eine Theorie, welche die Sozialisation als Ursache abweichenden Verhaltens sieht, ist gefährlich für das gesellschaftliche System. Macht es doch deutlich, dass einiges in diesem System nicht stimmt und geändert werden müsste. Also gehen diese „Wissenschaftler“ einen Schritt weiter. Sie sind nicht so dumm, die Ursache Sozialisation total zu leugnen. Aber - sie erweitern diese Ursache um genetische Komponente und erklären somit die Kriminalität zumindest teilweise zur Erbkrankheit. Damit kommen sie schon nahe an die „Erbgesundheitslehre“ ran. Damit besteht für die Mehrheitsgesellschaft keine Notwendigkeit mehr sich zu ändern. Es reicht dann, „die Kranken“ aus dem Verkehr zu ziehen. Die Ausgangsthese dieser Wissenschaftler lautet kurz gesagt so: Der Mensch ist eine biochemische Maschine, die vom Gehirn praktisch „fremdgesteuert“ wird. Er könne sich deshalb nicht frei entscheiden. So etwas wir Schuld könne deshalb auch nicht existieren. Kriminalität sei deshalb mehr oder weniger eine Funktionsstörung im Gehirn. Täter könnten deshalb nicht bestraft werden, da sie ja nicht anders handeln konnten. Sie müssten aber trotzdem weggesperrt werden, weil sie eben ein „krankes Gehirn“ haben. In den USA, der Schweiz und auch in Deutschland wird intensiv an dieser Theorie geforscht. In Deutschland ist die JVA Regensburg (Bayern) besonders aktiv in dieser Richtung. Für Gefangene, die sich bereits in diesen „Forschungseinrichtungen“ befinden, bedeutet dies, daß Hautwiderstand und Hirnstrommessungen über die Entlassung entscheiden und nicht mehr Gutachter. Die beteiligten „Forscher“ sagen selbst, daß sie erst am Anfang stehen und noch etwa 10 Jahre brauchen. Die Perspektiven, die sich aus ihrer Sicht dann auftun, stellen schlichtweg ein Horrorszenario dar. Natürlich soll der „Gehirn-TÜV“ zunächst mal die Entlassungsgutachten ersetzen. In den USA wird daran gedacht, ALLE Jugendlichen in einem bestimmten Alter entsprechend zu untersuchen. Bei wem dann ein sogenanntes „Verbrechergehirn“ festgestellt wird, der/die kann sofort weggesperrt werden. Eine Straftat ist dabei gar nicht mehr notwendig. Die Betreffenden werden ja nicht als „Verbrecher“, sondern als Geisteskranke weggesperrt. In Deutschland sind die Protagonisten noch etwas zurückhaltender. Hier wird zunächst daran gedacht, alle Jugendlichen, die zum ersten Mal straffällig werden, entsprechend zu untersuchen. Wer wegen Ladendiebstahl einfährt, muss dann damit rechnen, nie mehr rauszukommen. Die „Forscher“ schätzen, dass etwa 5% der Bevölkerung ein sog. „Verbrechergehirn“ haben. In Deutschland wären das etwa 4 Millionen. Da müssen dann noch viele Privatknäste gebaut werden. Bedenken gegen diese Praktiken stossen bei den beteiligten „Wissenschaftlern“ auf wenig Verständnis. So meinte der Bremer Neurowissenschaftler Roth in einem Phoenix-Interview, dass er überhaupt nicht verstehen könne, warum sich jemand darüber aufregt. Schließlich würden ja auch Menschen mit ansteckenden Krankheit notfalls gegen ihren Willen weggesperrt.
Gerhard, AKP
  Text aus STRAFLOS 02 vom März 2010